Als die Technische Universität Dresden im Jahr 2010 den Wissenschaftsverbund DRESDEN-concept begründet, betritt sie damit Neuland. Idee dieses Zukunftskonzepts , entstanden und gefördert im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, ist die breite Vernetzung der wissenschaftlichen Potenziale am Standort Dresden. Die TU Dresden, anders als viele andere Technische Universitäten mit Ingenieurs- und Naturwissenschaften, Mathematik, Medizin und Geisteswissenschaften einzigartig breit aufgestellt, kann mit DRESDEN-concept vor Ort ansässige Forschungs- und Kultureinrichtungen in einer ganzheitlichen und auf Qualität und Interaktion setzenden Struktur vereinen. Fünf Fraunhofer-Institute gehören dazu, außerdem drei Max-Planck-, vier Leibniz- und zwei Helmholtz-Institute sowie das Universitätsklinikum und neben den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden drei weitere Kultureinrichtungen. DRESDEN-concept erschließt und nutzt als Verbund die Synergien in Forschung, Lehre, Infrastruktur und Verwaltung. Auf diesem Weg werden international bedeutsame Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewonnen, werden neue Impulse für die Zusammenarbeit von Universität und außeruniversitären Forschungseinrichtungen erschlossen. Wissenschaftler und Studierende der TU nutzen kostenintensive Forschungsinfrastruktur, wie die des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf; Nachwuchswissenschaftler der Forschungsinstitute lehren zusätzlich an der TU Dresden, zum beiderseitigen Nutzen. Aber der Verbund wirkt nicht ausschließlich in der Qualität der Forschung: Es entsteht ein Welcome-Center für internationale Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie ein Technologieportal zur gemeinsamen Nutzung.
Bisher ist dieser umfassende und vielfältige Wissenschaftsverbund einzigartig. Exemplarisch macht er aber die Ergebnisse des engen Zusammenwirkens mit außeruniversitären Institutionen in allen Dimensionen sichtbar. Gleichzeitig zeigen sich die Probleme des deutschen Wissenschaftssystems z.B. in der unterschiedlichen Trägerschaft von durch Land bzw. Bund geförderten Einrichtungen, bei der Kapazitätsverordnung, bei der Flexibilität in der Finanzierung und in den Strukturen.
Nach dem Start der Debatte um den Wissenschaftsverbund im Jahr 2010, hebt der Wissenschaftsrat 2014 in seinem Bericht zum regionalen Verbund aus hochschulpolitischer
Perspektive folgende zentrale Merkmale heraus:
- Im regionalen Verbund verfolgen die beteiligten Einrichtungen gemeinsame strategische Ziele.
- Sie setzen diese in langfristig oder dauerhaft ausgerichtete institutionelle Kooperationen um.
- Diese Kooperationen können unterschiedliche Leistungsdimensionen (Forschung, Lehre, Transfer, Infrastrukturleistungen) umfassen.
- Kennzeichnend für thematische und regionale Verbünde ist, dass sie sowohl Synergieeffekte als auch Effizienzgewinne erzielen wollen.
In Sachsen erweisen sich Verbünde der Wissenschafts- und Hochschuleinrichtungen untereinander bzw. mit der Wirtschaft und der Gesellschaft als Innovationstreiber. Sie sind eine wichtige Basis, die vorhandenen Ressourcen effektiver einzusetzen. Sie dienen einerseits der Entwicklung internationaler Spitzenforschung und der Attraktivitätssteigerung für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Studierende und Fachkräfte und andererseits der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch regionalen Wissenstransfer. Tatsächlich waren Hochschulen, Forschungseinrichtungen und die Wirtschaft regional, national und international schon lange vor der Diskussion über Verbünde in der Wissenschaft vielfältig vernetzt. Am bekanntesten sind wohl die thematischen Forschungsverbünde, die einzelne Themenfelder oder auch ganze Institutionen umfassen können.
In Zeiten wachsenden Fachkräftemangels und um die Leistungs- und Innovationsfähigkeit einer Region zu stärken, unterstützt Sachsen aber vor allem auch regionale Verbünde zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und der regionalen Wirtschaft.
Hierbei geht es um die engere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen in einer Region zur Stärkung der Profilbildung, aber auch darum, knappe Ressourcen effektiv einzusetzen. Und es geht darum, gerade in einem ostdeutschen Land mit zahlreichen kleinen mittelständischen Unternehmen die keine oder kaum eigene Forschungsleistungen erbringen können, Wissen über Innovationen und akademische Fachkräfte aus den Hochschulen heraus zu transferieren. Die Hochschulen sind in diesen Verbünden wichtige Innovationsmotoren für Wirtschaft und Gesellschaft. Der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft fördert dazu das Projekt „Bildungscluster – eine Initiative zur Stärkung regionaler Allianzen für erfolgreiche Nachwuchssicherung“ . Hier sollen regionale Bildungsangebote und Arbeitsmarktbedarfe besser aufeinander abgestimmt werden. In Sachsen sind die Universität Leipzig und die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig in der Bildungs- und Fachkräfteallianz für die Wissensregion Leipzig-Halle mit zahlreichen weiteren Partnern maßgeblich eingebunden. Interessant ist auch die Kompetenzregion Zwickau in deren Zentrum die Westsächsische Hochschule Zwickau mit ihren Verbundpartnern IHK und HWK Chemnitz gehören.
Sachsen hat bereits Ende 2011 – mit der Verabschiedung des Hochschulentwicklungsplanes bis 2020 – die Hochschulen zur Beteiligung an der Bildung von sogenannten Wissenschaftsregionen verpflichtet. Im Zuge der Umsetzung entstanden drei regionale Wissenschaftsregionen – Dresden, Leipzig, Chemnitz. Ziele dieser Wissenschaftsregionen sind einerseits die Kooperation der Hochschulen untereinander, sowie mit weiteren Wissenschaftseinrichtungen zur Erzielung von Synergieeffekten und Effizienzgewinnen in ihrer Profilbildung und zum anderen die Kooperation der Hochschulen mit ihrem regionalen Umfeld zur Intensivierung des Austauschs zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft (Dritte Mission). Derzeit werden – in Auswertung des bisherigen Umsetzungsstandes und als Grundlage für die Fortschreibung des Hochschulentwicklungsplans bis 2025 – die Wissenschaftsregionen kritisch beleuchtet. Dabei zeigen sich gravierende Unterschiede, die vor allem auf die ursprüngliche Top Down- Strategie zurückzuführen sind. Dort, wo es den Akteuren gelungen ist, Kooperationen zum gegenseitigen Nutzen und mit professionellen, nachhaltigen Strukturen zu untersetzen, zeigt sich die Wissenschaftsregion als gelungenes Modell mit deutlich positiven Effekten. Es zeigt sich aber auch, dass die regionale Komponente nicht zu starr auf ein begrenztes Gebiet eingeschränkt sein darf.
Die Erfahrung macht deutlich: Ein Netzwerk muss – je nach Bedarf – engmaschig oder grobmaschig gestrickt werden. Die Freiheit, dies zu entscheiden, muss bei den Beteiligten selbst liegen.
Dr. Eva-Maria Stange
ist Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst des Freistaates Sachsen