Mit der Exzellenzinitiative verfolgte SPD-Forschungsministerin Edelgard Bulmahn die Absicht, mit neuen Impulsen die Wissenschaftslandschaft in Deutschland zu beleben. In der Tat lassen sich nach rund zehn Jahren Exzellenzinitiative viele internationale Erfolgsgeschichten erzählen. Mit der Förderung der „Zukunftskonzepte“ etwa wurde eine internationale Sichtbarkeit betrieben, während die „Exzellenzcluster“ mit ihren innovativen Verbundprojekten zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung zu der in der Wissenschaft existentiellen Kooperationsbereitschaft beitrugen und Synergieeffekte in der Forschungslandschaft erzeugen konnten. Mit der Exzellenzinitiative wurde somit eine neue Dynamik in der Forschungslandschaft entfaltet.
War das Konzept der Wissenschaftsverbünde anfangs auf die teilnehmenden Hochschulen der Exzellenzinitiative, explizite Forschungsbereiche sowie auf wenige Leuchtturmprojekte begrenzt, haben sich zwischenzeitlich ganz unterschiedliche Wissenschaftsregionen entwickelt und vervielfältigt. Insbesondere haben sich dabei interdisziplinäre Forschungsfelder etablieren können: Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen vernetzen sich nicht nur miteinander, sondern binden forschende Unternehmen und Institutionen ein. Zugleich findet die Vernetzung verstärkt auch in den Bereichen Lehre und Wissens- und Technologietransfer statt.
Wissenschaftsregionen, das zeigt neben der Exzellenzinitiative auch das Feld der angewandten Forschung, sind heute für Innovationen unerlässlich und somit auch ein ökonomisch relevanter Faktor. Zudem bieten Kooperationen mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung gerade für kleinere und mittlere Unternehmen ein enormes Potenzial, um Fachkräfte gezielt zu qualifizieren und weiter zu qualifizieren. Auch im internationalen Wettbewerb können Unternehmen so punkten. So sind es gerade die Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die das Konzept der Wissenschaftsregionen in die Fläche tragen und daher die überregionale Strukturentwicklung qua Unterstützung des Mittelstands nachhaltig stärken.
Der Wissenschaftsrat empfiehlt Bund und Ländern daher wohlweislich, weiterhin gezielt lokale und regionale Wissenschaftsverbünde zu fördern und dazu neue Instrumente zu schaffen. Durch die Innovationsförderung in den ostdeutschen Ländern wird etwa gezielt die Vernetzung in Regionen mit wissenschaftlichem Potenzial und großen Marktchancen gefördert. Mit dem neuen Programm „Starke Fachhochschulen – Impuls für die Region“ sollen an exzellenten Standorten Vernetzungsstrukturen und strategische Kooperationen der Hochschulen mit der regionalen Wirtschaft ausgebaut und verstetigt werden. Nun wird die bereits beschlossene Neuauflage der Exzellenzinitiative die Idee der Cluster als interdisziplinäre Verbundforschung aufgreifen und weiterentwickeln.
Die Herausforderungen in der Wissens- und Informationsgesellschaft sind in der Tat immens, auch forschungspolitische Entscheidungen müssen sich dem stellen. Neben zahlreichen Forschungsfragen gilt es zu berücksichtigen, dass die Bundesländer mit knappen Finanzhaushalten wirtschaften müssen. Dies zwingt einerseits zu engeren Kooperationen, diese bieten jedoch auch andererseits die Chance zu engen Allianzen und Synergien vor Ort.
Doch welcher Rahmenbedingungen bedarf es für die Wissenschaftsregionen, um die gewünschten Effekte zu erzielen? Wie können regionale Akteure und wissenschaftliche Einrichtungen für die Potenziale der Vernetzung gewonnen werden?
In vier knappen Thesen möchte ich meine Positionen darlegen:
- Jede wissenschaftliche Institution bewegt sich in einem regionalen Umfeld und trägt Mitverantwortung für dessen Entwicklung.
Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie Hochschulen für angewandte Forschung sollten sich für diese Idee noch stärker öffnen und Verbünde schließen. Das „interaktive Dienstleistungsverständnis“ für den wissenschaftlichen Nachwuchs, für Wissens- und Technologietransfer sowie Infrastrukturentwicklung ist durchaus ausbaufähig. Auch die Wissenschaftseinrichtungen können dabei von funktionierenden Bildungsinstitutionen, Verkehrswegen, Verwaltungsstrukturen und Wirtschaftszweigen profitieren. - Wissenschaftsregionen sind mehr als lokale Verbünde von Forschungseinrichtungen, die sich Labore teilen oder gemeinsam Seminare organisieren.
Alle Akteure der Scientific Community sollten internalisieren, dass sowohl Grundlagenforschung wie auch angewandte Forschung ihre jeweilige Relevanz besitzen. Zudem stärken Forschung und ihre Transferleistungen die Regionen auch als Standortfaktoren und machen sie attraktiv für Spitzenforscherinnen und -forscher. - Wissenschaftsregionen entstehen dort, wo es Chancen und Optionen zur Netzwerkbildung gibt.
Es wäre eine Illusion zu glauben, dass Kooperationen ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand vielfältigen Mehrwert generieren können. Die Schaffung von Beratungs- und Koordinierungsstellen, die Forschungs- und Transfernetzwerke aufbauen, Projekte betreuen und den Austausch koordinieren, ist daher essentiell und muss auch finanziell flankiert werden, um Chancen und Optionen interdisziplinär und damit auch synergetisch nutzen zu können. - Wissenschaftsregionen dürfen nicht auf die Dimension „Spitzenforschung“ reduziert werden.
Oft stecken gerade in Lehre, Wissens- und Technologietransfer die größten Benefits. Jedoch bleiben vielerorts Potenziale noch unerschlossen, da es an nachhaltigen Finanzierungsmöglichkeiten für die langfristige Entwicklung einer Wissenschaftsregion fehlt. Intelligente Förderprogramme sollten es daher den Hochschulen ermöglichen, Ihre gut durchdachten Konzepte auch umzusetzen. Neben der internationalen Sichtbarkeit für die prämierten Cluster gilt es nun, die Netzwerkbildung, auch auf der Basis weiterer Erfolgsfaktoren, substanziell zu fördern.
Für die Etablierung von Wissenschaftsregionen und die Stärkung der Vernetzung von Forschung, Lehrqualität sowie Wissens- und Technologietransfer wird es in den kommenden Jahren großer Anstrengungen bedürfen, aber in kaum einem anderen Feld erscheinen die Investitionen erfolgversprechender.
Dr. Daniela De Ridder, MdB
ist Mitglied der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion