2005 war ein gutes Jahr für das deutsche Wissenschaftssystem. Die rot-grüne Koalition startete die Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung und Innovation. 10 Jahre danach steht unser Wissenschaftssystem vor einer neuen Phase der qualitativen Weiterentwicklung. Mit großen Chancen und großen Herausforderungen.
Die Universitäten beklagen zu Recht den wachsenden Druck zur Einwerbung von Drittmitteln und fordern eine verbesserte Grundfinanzierung. Die Fachhochschulen drängen auf eine größere Anerkennung und bessere Ausstattung. Die Karrierechancen und -wege für den wissenschaftlichen Nachwuchs und der Arbeitsplatz Wissenschaft müssen dringend verbessert werden und auch die Profilbildung, die Europäisierung und die Internationalisierung unseres Wissenschaftsstandortes sind noch lange nicht abgeschlossen. Nicht zuletzt die Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden bleibt eine dauernde Aufgabe.
Was die SPD in der Opposition gegenüber Schwarz/Gelb in der letzten Legislaturperiode konsequent eingefordert hat, sind wir in der Großen Koalition zielstrebig angegangen. Wir können feststellen: Wissenschaft und Forschung haben eine hohe Priorität und klare langfristige Perspektive bekommen.
So wurde im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD aus dem Jahr 2013 verabredet, von den insgesamt 23 Mrd. Euro, die als Mehrausgaben in dieser Legislaturperiode seinerzeit beschlossen wurden, neun Milliarden Euro für Bildung, Wissenschaft und Forschung (6 Mrd. € für Bildung, 3 Mrd. € für Forschung) einzusetzen.
Im Mai 2014 folgten dann konkrete Beschlüsse zur Verteilung dieser neun Mrd. Euro: So hat der Bund etwa die alleinige Finanzierung des BAföG übernommen, was eine Entlastung der Länder von 1,17 Mrd. Euro jährlich von 2015 bis 2017 bedeutet. Die Länder haben sich im Gegenzug verpflichtet, diese finanzielle Entlastung zur verstärkten Bildungsförderung einzusetzen. Zugleich hat der Bund eine substantielle BAföG-Reform beschlossen, mit der ab August 2016 jährlich 500 Millionen Euro mehr für dieses Fördergesetz bereitgestellt werden. Es wurden darüber hinaus eine Fortsetzung des Hochschulpaktes und des Paktes für Forschung und Innovation auf hohem Niveau von jährlich 3% Zuwachs vereinbart und die Abschaffung des Kooperationsverbots im Art. 91b GG zumindest für den Hochschulbereich beschlossen. Diese Reform ermöglicht es dem Bund jetzt erstmals, Hochschulen dauerhaft institutionell und nicht mehr nur projektbezogen zu fördern: „Exzellenz in der Spitze und in der Breite“ ist das Leitmotiv. Selbstverständlich streben wir als SPD-Bundestagsfraktion im Übrigen weiter eine komplette Abschaffung des Kooperationsverbots in allen Bildungsbelangen an.
Mit dem Gesamtvolumen von 25,3 Mrd. Euro bis 2020 sind der Hochschulpakt und der Pakt für Forschung und Innovation auch finanziell ein großes Versprechen an die Wissenschaft und Forschung, um das die deutsche Wissenschaftslandschaft aus gutem Grund international beneidet wird. Wo in anderen Staaten gekürzt wird oder private Finanzierungssysteme Unsicherheit und auch Ungerechtigkeit schaffen, geben Bund und Länder mit dem Beschluss von Ende 2014 einen klaren, nachhaltig wirkenden Gestaltungsrahmen für die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung vor.
Mit den Beschlüssen der Geschäftsführenden Fraktionsvorstände von CDU/CSU und SPD vom 16. April 2015 in Göttingen sind schließlich wichtige weitere Schritte eingeleitet worden, um in dieser Legislaturperiode die Weichen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung unseres Wissenschaftssystems zu stellen.
Vier Bausteine aus diesen Beschlüssen sind besonders hervorzuheben:
- Auf massives Drängen der SPD wurde in Göttingen eine neue Personaloffensive für den wissenschaftlichen Nachwuchs beschlossen. Hierzu soll ein Finanzvolumen von einer Mrd. Euro über die Laufzeit von zehn Jahren (beginnend 2017) bereitgestellt werden. Unserer festen Überzeugung nach sollten diese Mittel vor allem zum massiven Ausbau von Juniorprofessuren mit Tenure-Track-Förderung eingesetzt werden. Wir brauchen angesichts steigender Studierendenzahlen und schlechter Betreuungsrelationen zeitnah zusätzliches qualifiziertes Personal in der Hochschullehre und -forschung. Der Karriereweg der Juniorprofessur ist nicht nur etabliert, sondern nach unserer Überzeugung auch eine erfolgreiche Innovation in der Hochschulpolitik. Diese Innovation sollten wir jetzt weiterentwickeln.
- Mit dem Grundsatzbeschluss zur Fortsetzung der Förderung der Exzellenzinitiative bekennen sich die Regierungsfraktionen zu diesem von Edelgard Bulmahn maßgeblich auf dem Weg gebrachten Förderwettbewerb. Wir wollen hier einerseits die Dynamik der laufenden Förderinitiativen erhalten und andererseits neue Impulse setzen, um eine qualitative Weiterentwicklung dieses Wettbewerbs herbeizuführen. Die Festlegung eines Fördervolumens von mindestens 400 Mio. Euro jährlich über zehn Jahre gibt unserer Hochschullandschaft Sicherheit, dass die Förderung auf dem etablierten Niveau fortgesetzt wird.
- Auch dafür haben wir lange gekämpft: Die Göttinger Beschlüsse enthalten die Ankündigung, den Ausbau der gezielten Forschungsförderung an Fachhochschulen, besser: an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften vorzunehmen. Dies werden wir jetzt zeitnah umsetzen. Fachhochschulen haben nicht nur einen deutlich überproportionalen Anteil der zusätzlichen Studierendenzahlen in den vergangenen Jahren aufgenommen, sondern sie sind wichtige Partner bei der Innovations- und Forschungsförderung in Kooperation mit den regional verankerten kleinen und mittleren Unternehmen. Diese Stärke der Fachhochschulen wollen wir aufnehmen und hier neue Forschungsanreize und -impulse setzen.
- Die Regierungsfraktionen haben sich schließlich mit dem wegweisenden Göttinger Beschluss noch einmal zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes bekannt. Bis Ende des Jahres 2015 werden wir missbräuchliche Befristungen in der Wissenschaft eindämmen und auch auf diesem arbeitsrechtlichen Weg bessere Beschäftigungsbedingungen schaffen.
Mit den bereits beschlossenen Reformen und Mittelaufwüchsen werden wir unser Wissenschaftssystem in vielen Bereichen besser für die Zukunft aufstellen können. Wir werden uns jedoch auf diesen großen Erfolgen nicht ausruhen dürfen.
Als SPD streben wir eine dauerhafte und belastbare Lösung des drängenden Problems der mangelhaften Grundfinanzierung der Hochschulen an. Befristete Programme wie der Hochschulpakt lindern zwar die akuten Problemlagen und sichern gute Studienbedingungen für die Studierenden von heute und morgen. Die Grundfinanzierung der Hochschulen muss jedoch langfristig auf eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene, dauerhafte Grundlage gestellt werden. Mögliche Lösungen aus Bundessicht könnten hierbei eine anteilige Beteiligung an der Grundfinanzierung der Hochschulen in den Ländern, aber auch die gezielte Übernahme der Kosten für ausländische Studierende durch den Bund oder auch ein erneuter Einstieg des Bundes in die Mitfinanzierung des Hochschulbaus sein. Hierüber wird rechtzeitig in den gemeinsamen Beratungen von Bund und Ländern zu reden sein.
Auch endet für uns die Diskussion über gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft nicht mit der absehbaren Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. So streben wir beispielsweise weiter eine Abschaffung der Tarifsperre an, die jetzt wohl bei der ebenso unverständlichen wie scharfen Ablehnung dieses Punktes durch CDU/CSU kaum zu machen sein wird, und halten damit grundsätzlich an dem Ziel der Etablierung eines Wissenschaftstarifvertrags fest.
Die Förderung der Forschung an Fachhochschulen werden wir konsequent ausbauen. Hierbei wollen wir neben dem verbesserten Transfer von Erkenntnissen aus den Fachhochschulen gerade in regional verankerte kleine und mittlere Unternehmen auch die Internationalisierung des Modells „Hochschule für angewandte Wissenschaft“ vorantreiben.
In der Konsequenz unserer sozialen Kernkompetenz wollen wir als SPD die Arbeit in Wissenschaft, Forschung und Lehre familienfreundlicher gestalten und die sozialen Bedingungen für die Studierenden verbessern. Hier reichen die Themen von der Förderung von Kinderbetreuungsangeboten an Hochschulen über Angebote zum Teilzeitstudium bis zur besseren Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Arbeit. Mit mehr Stetigkeit in der Verbesserung des BAföG und dem Ausbau der studentischen Wohnheime sowie der studentischen Sozialberatung sind hier weitere konkrete Aufgaben vorgezeichnet.
Last, but not least: Die Exzellenzinitiative wird von 2017 über 10 Jahre lang mindestens bis in das Jahr 2027 fortgesetzt. Wir nähern uns damit einem Zeithorizont, wo absehbar die Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung noch weiter fortgeschritten ist, mit neuen Quantitäten, neuen forschungsstarken kleinen und großen „Playern“ und neuen Aufgabenstellungen.
Wir tun in Deutschland und in Europa gut daran, uns rechtzeitig auf diese internationale Dynamik einzustellen und auch die europäische Dimension stärker in die Zukunftsplanung für Deutschland mit einzubeziehen. Denn der europäische Hochschul-und Forschungsraum bringt große Herausforderungen mit Blick auf die Fragen von Subsidiarität und Vertiefung, von Konzentration und Kooperation, aber auch große Chancen in der Erhöhung von Profil , Alleinstellung und Attraktivität in der globalen Wissenschafts- und Forschungsgemeinschaft von morgen, Auch hierfür müssen wir jetzt, gerade auch als internationale und europäisch historisch ausgewiesene Partei, eine qualifizierte Debatte eröffnen und erste Weichen richtig stellen.
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB
ist bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion