Wissenschaft und Forschung sind der Motor der technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung und bilden die Grundlage für den gesellschaftlichen Fortschritt. Die akademische Lehre hat eine besondere Bedeutung. Sie gewährleistet eine hochqualifizierte Ausbildung und leistet einen wichtigen Beitrag für die Sicherung des Fach- und Führungskräftenachwuchs für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt. Die hochschulische und außeruniversitäre Forschung und Entwicklung sichert durch neue Erkenntnisse und Ideen die Innovationsfähigkeit Deutschlands, auf die wir sowohl für die Lösung der globalen Zukunftsfragen, für die künftige wirtschaftliche Wertschöpfung als auch für die Verbesserung des alltäglichen Lebens der Menschen zunehmend angewiesen sind. Und schließlich eröffnen Wissenschaft und Forschung einen wachsenden Arbeitsmarkt, der bereits heute über 600.000 Menschen eine attraktive Beschäftigung bietet.
Bund und Länder haben gemeinsam in den zwei vergangenen Jahrzehnten entscheidend zur Stärkung des Studien-, Wissenschafts- und Forschungsstandorts Deutschland beigetragen. Die BAföG-Wende 2002 für mehr Chancengleichheit beim Hochschulzugang mitsamt der folgenden Erhöhungen, seit 2005 der besonders erfolgreiche Pakt für Forschung und Innovation und die international ausstrahlende Exzellenzinitiative, aber auch der Qualitätspakt Lehre und seit 2006 allen voran der Hochschulpakt – sie alle gemeinsam haben zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen für Studierende, die Hochschulen und Forschungseinrichtungen erschlossen. Sie leisteten mitsamt ihren Fortsetzungen einen wichtigen Beitrag, zentrale wissenschaftspolitische Ziele zu erreichen, die sich Bund und Länder gemeinsam gesetzt haben:
- Dank des Hochschulpaktes und des neuen BAföGs blieben die Hochschulen offen. Mit dem Pakt konnte der Ausbau der Studienkapazitäten Schritt halten mit der stark wachsenden Studiennachfrage, so dass die Chance junger Menschen auf einen Studienplatz erhalten blieb. Der Qualitätspakt hat zusätzlich innovative Lehrkonzepte gestärkt.
- In der Forschung ist Deutschland heute auch dank des Paktes für Forschung und Innovation und der Exzellenzinitiative leistungs- und innovationsfähiger als vorher. Viele Hochschulen konnten mit der Exzellenzförderung wieder zur Augenhöhe mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufschließen. Insbesondere in der Spitzenforschung dominieren heute Kooperation und Zusammenarbeit von Hochschulen mit leistungsstarken Forschungsorganisationen die Forschungspraxis. Die Nachwuchsförderung wurde deutlich intensiviert. Zusätzlich wurden die hochschulische Profilbildung und Strategiefähigkeit gefördert und so die innere Innovationsdynamik erhöht.
- International hat der Wissenschafts- und Hochschulstandort Deutschland entscheidend aufholen können. Auch dank der Wissenschaftspakte ist unser Land ein attraktiver Studien- und Arbeitsort für ausländische Studierende und internationale Spitzenforscherinnen und –forscher im Herzen Europas
Die positive Entwicklung wurde erreicht, obwohl die zusätzlichen Bundesmittel für die Hochschulen und Forschungsorganisationen überwiegend in Form befristeter Programme zur Verfügung gestellt werden. Die fehlende langfristige Verlässlichkeit dieser unverzichtbaren Mittel setzt der Planbarkeit in Wissenschaft und Forschung zu enge Grenzen. Sie führt zu negativen Effekten wie beispielsweise dem Verzicht auf eine langfristige Personalplanung und sie verhindert strukturelle Anpassungen an die Bildungsexpansion und dauerhaft hohe Studierendenzahlen. Vor allem aber erfolgte der erfreuliche Beschäftigungsanstieg in Wissenschaft und Forschung vor dem Hintergrund befristeter Mittelzusagen größtenteils in Form kurzfristiger Arbeitsverträge, mit negativen Folgen für die individuelle soziale Lage und die mittelfristigen Karriereaussichten junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Die bisherigen Erfolge der gemeinsamen Wissenschaftspolitik von Bund und Ländern sind nicht auf Dauer gesichert. Es braucht eine neuerliche Kraftanstrengung von Bund und Ländern und einen Neustart in der Wissenschaftsfinanzierung für das Jahrzehnt 2021 bis 2030. Die dafür erforderliche neue Finanzierungsarchitektur muss einen starken, dauerhaften und strategischen Beitrag des Bundes enthalten. Die rechtlichen Voraussetzungen sind mit den neuen Möglichkeiten im Art. 91b GG für dauerhafte Bundesinvestitionen in Hochschulen geschaffen worden.
In einer ersten Anwendung des Prinzips haben Bund und Länder 2016 beim Nachwuchspakt und dem Programm „innovative Hochschule“ langfristiger wirkende Maßnahmen vereinbart und bei der zentralen Exzellenzstrategie ganz auf eine Laufzeit verzichtet.
Diese Schritte reichen aber nicht aus. Denn an der Schwelle 2019/20 laufen zahlreiche weitere Bund-Länder-Programme aus, u.a. der Pakt für Forschung und Innovation, der Qualitätspakt Lehre und insbesondere der Hochschulpakt. Dadurch drohen für das Wissenschaftssystem unverzichtbare Bundesmittel wegzufallen. Zudem enden infolge der Bund-Länder-Finanzeinigung 2019 auch die Kompensationsmittel für den Hochschulbau. Weder die zusätzlichen Umsatzsteuermittel für die Länder noch die geplante neue Bundesergänzungszuweisung für Forschung vermögen in der Verteilungswirkung und noch weniger im Volumen einen Ersatz zu leisten.
Bund und Länder sind daher gemeinsam in der Pflicht die bisherigen Anstrengungen fortzuführen, sie auszubauen und so den Übergang zu einer verlässlichen und dauerhaften Finanzierungsarchitektur für die Wissenschaft für die Jahre 2021 bis 2030 zu schaffen. Es ist dabei sinnvoll, dass die Länder vor dem Hintergrund des nach 2020 in Kraft tretenden neuen Bund-Länder-Finanzierungssystems je nach Aufgabe und engerer Zuständigkeiten unterschiedliche Anteile an den Maßnahmen tragen, die zusätzlich zu ihren bisherigen Aufwendungen für die Hochschulen bereit zu stellen sind. Dabei leisten die Länder ohnehin den weitaus größten Beitrag zur Finanzierung des Hochschulsystems, und das wird selbstverständlich auch künftig so sein.
Wir schlagen für diese Architektur einen Zukunftsvertrag für Wissenschaft und Forschung von Bund und Ländern vor, in dem beiden jeweils angemessene Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden. Der Vertrag soll die Anstrengungen von Bund und Ländern aufeinander abstimmen, bündeln und sich primär nicht an bestehenden Finanzierungsströmen, sondern an den aktuellen großen Herausforderungen im Wissenschaftssystem ausrichten:
- Bildungsexpansion strukturell absichern: Die hohen Studierendenzahlen sind kein temporärer Effekt, die Studienanfängerzahlen werden sich auf einem hohem Niveau von knapp unter 500.000 im Jahr einpendeln. Die Hochschulfinanzierung ist heute nur ungenügend auf diese Bildungsexpansion ausgerichtet. Es fehlt an langfristiger Planungssicherheit und an Anreizen, die Qualität der Lehre zu stärken und die sozialen Infrastrukturen an den Hochschulen an die gewachsenen Studierendenzahlen anzupassen.
- Perspektiven für Talente stärken: Die Bildungsexpansion bietet zusätzliche Chancen auf zusätzliche Fachkräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Forscherinnen und Forscher, deren Kreativität und Ideen Deutschland braucht. Die Bildungsförderung muss stärker Chancen gegen soziale Hürden zur Geltung bringen, neue Bildungsbiografien besser unterstützen und insbesondere die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft fördern. Wir brauchen attraktivere Beschäftigungsbedingungen und Karriereperspektiven für das wissenschaftliche Personal, um die besten Köpfe aus dem In- und Ausland für unser Wissenschaftssystem zu gewinnen.
- Megatrend Digitalisierung annehmen: Wissenschaft und Forschung stehen in weiten Teilen in einem atemberaubenden Umbruchsprozess, der durch die digitale Entwicklung getrieben ist. Der Wandel betrifft alle Bereiche wie Lehre, Forschung, Verwaltung, Ausstattung und Forschungsinfrastrukturen und verlangt eine gemeinsame Antwort von Bund, Ländern, den Hochschulen sowie den Forschungseinrichtungen.
- Wissenschaftsfreiheit verteidigen: Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist eine Voraussetzung ihrer Kreativität und für eine offene, freie und demokratische Gesellschaft unverzichtbar. Ohne sie werden wir weder die großen globalen noch die wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen lösen können. Gerade vor dem Hintergrund aktueller populistischer Entwicklungen in einigen Teilen der Welt kann Deutschland ein gutes Beispiel geben für eine Wissenschaft, die ihre internationale Offenheit und Vernetzung vorantreibt und dennoch sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist, und für eine Gesellschaft, die wissenschaftliche Arbeit wertschätzt und ihre Ergebnisse respektiert – gleich ob diese politisch gefallen oder nicht.
- Innovationsfähigkeit sichern: Neue wissenschaftliche Ideen und Erkenntnisse sind die Basis für Deutschlands künftigen wirtschaftlichen Erfolg und eine sichere Beschäftigung. Damit Deutschlands Innovationssystem konkurrenzfähig bleibt, muss unsere Wissenschaft und Forschung im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein und müssen wir gezielt in Forschung und Entwicklung sowie den Transfer in Produkte und Dienstleistungen investieren.
Der Zukunftsvertrag muss Antworten auf diese Herausforderungen geben können und ist spätestens im Jahr 2018 zu vereinbaren. Wir schlagen in einem ersten Schritt sechs Bausteine für diesen Vertrag vor:
Qualitätsstrategie Hochschulehre
Die Bildungsexpansion stellt die Sicherung der Qualität der Lehre an den Hochschulen im Vordergrund, um jeder und jedem Studierenden in jedem Fach und an jedem Studienort die bestmögliche Ausbildung zu gewährleisten. Dafür muss an den Hochschulen in Nachfolge des erfolgreichen Hochschulpaktes ein dauerhaftes Anreizsystem etabliert werden, um die Bedeutung der Qualitätsentwicklung in der Lehre gleichberechtigt zur Forschungsleistung zu etablieren.
Wir schlagen vor, dass der Bund sich mit einer Qualitätsstrategie Hochschullehre nach 2020 dauerhaft und unbefristet an der Finanzierung der Lehre an Universitäten, Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften und den Musik- und Kunsthochschulen beteiligt. Für das Jahrzehnt von 2021-2030 schlagen wir zur Ausgestaltung weiter vor, für jede und jeden Studierenden in der Regelstudienzeit je nach Fachrichtung einen Betrag von 1.000-2.000 Euro, bei Humanmedizin 3.000 Euro jährlich sowie für jede abgelegte Abschlussprüfung 1.000 Euro jährlich zur Verfügung zu stellen. Bei Studierenden ohne Abitur sollen erhöhte Ansätze von 3.000 Euro für Studierende bzw. 1.500 Euro für jede Abschlussprüfung angesetzt werden, um Durchlässigkeit und Offenheit der Hochschulen besonders zu fördern. Die Gesamtkosten belaufen sich je nach konkreter Ausgestaltung auf rund 3,3 Mrd. Euro im Jahr, für die Jahre 2021-2030 somit auf bis zu 33,5 Mrd. Euro. Die Länder beteiligen sich an der Finanzierung dieser Maßnahme mit mindestens 10 Prozent der Kosten und verpflichten sich insbesondere, ihre Aufwendungen für die Grundfinanzierung der Hochschulen unter Berücksichtigung bereits getroffener haushaltspolitischer Entscheidungen auf hohem Niveau fortzuführen.
Mit der auf Dauer angelegten Qualitätsstrategie sollen mehrere wissenschaftspolitische Ziele verknüpft werden:
- Die Strategie ist auf Dauer angelegt und ermöglicht so die neu geschaffenen Studienkapazitäten zu sichern und dadurch die Chancen auf einen Studienplatz trotz der Mehrnachfrage stabil zu erhalten.
- Mit der Qualitätsstrategie werden die Hochschulen besser in der Lage sein, künftig die Lehrqualität intern zu priorisieren und entsprechende Konzepte zu entwickeln. Diese können leichter personell untersetzt und die Beschäftigungsbedingungen insgesamt im Sinne „Guter Arbeit“ verbessert werden.
- Die neue Planungssicherheit eröffnet Chancen für eine bessere Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Sie erlaubt ebenso moderne Personalstrukturen zu etablieren und Karriereperspektiven zu verbessern wie auch stärker auf unbefristet beschäftigtes Personal zu setzen.
- Die neuen und verlässlichen Handlungsspielräume müssen konsequent für die Förderung von Diversität und der Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft genutzt werden. Ebenso wenig wie die Gesellschaft insgesamt kann sich auch die Wissenschaft nicht länger Rahmenbedingungen leisten, die Frauen zu oft und zu früh aus dem Wissenschaftsbetrieb rausdrängen.
- Da die Studienkosten an Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Vergleich geringer sind, schafft die Qualitätsstrategie einen Anreiz, insbesondere hier die Lehrqualität und Betreuungsrelation zu verbessern um mittelfristig die prognostizierte Fachkräftenachfrage passgenauer bewältigen zu können.
Perspektivpakt Fachhochschulen/HAW
Im deutschen Hochschulsystem leisten Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) einen unverzichtbaren Beitrag für die Qualifizierung von Fachkräften, die insbesondere anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung, den Wissenstransfer und damit für die regionale Innovationskraft. Zusätzlich zu den Mitteln aus der Qualitätsstrategie muss ein zweiter Baustein die spezifischen zusätzlichen Anforderungen von FH/HAW adressieren, die sich aus diesem eigenständigen Aufgabenprofil ergeben und ihre Leistungsfähigkeit langfristig sichern und Strategiefähigkeit stärken. Der Beitrag des Bundes zu diesem Perspektivpakt sollte mindestens zwei Maßnahmen umfassen:
- Erstens ist die Projektförderung des Bundes für Forschung an Fachhochschulen deutlich unterfinanziert, weshalb zu viele gute Forschungsanträge abgelehnt werden müssen und somit Innovationspotenziale ungenutzt bleiben. Der Bund finanziert daher als erste Maßnahme im Perspektivpakt die schrittweise Aufstockung des Fördervolumens seiner Projektförderung von heute geplanten 55 Mio. Euro auf rund 100 Mio. Euro im Jahr 2025 und hält das Volumen mindestens bis 2030 bei. Die Mehrkosten belaufen sich 2021-2030 je nach Ausgestaltung auf rd. 470 Mio. Euro, die der Bund trägt.
- Zweitens schlagen wir vor, dass FH/HAW in einer zweiten, eigenen Förderlinie des bestehenden Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zusätzliche Mittel für die Karriere- und Personalentwicklung bzw. Gewinnung wissenschaftlichen Personals erhalten. In einem wettbewerblichen Verfahren stellen Bund und Länder befristet für 10 Jahre bzw. die Laufzeit des Nachwuchspaktes zusätzliche Mittel von jährlich mindestens 75 Mio. Euro u.a. für Tandem-Professuren oder Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen von Kooperationen insbesondere mit Unternehmen, aber auch anwendungsorientierten Forschungsinstituten vor. Die Kosten für diese Maßnahme belaufen sich für 2021-2030 auf rund 750 Mio. Euro. Die Länder beteiligen sich an der Finanzierung dieser Maßnahme mit mindestens 10 Prozent der Kosten.
Forschungsförderung zukunftssicher machen
Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist der größte Innovationstreiber. Neben hinreichenden Möglichkeiten zur wissenschaftsautonomen Themen- und Lösungsfindung ist hier eine verlässliche Finanzierungsperspektive entscheidend. Für diesen Baustein schlagen wir zwei Maßnahmen vor:
- Erstens ist der Pakt für Forschung und Innovation unverzichtbar für die nachhaltige Innovationsdynamik Deutschlands. Er muss daher weiterentwickelt fortgesetzt werden und dabei deutlich stärker sowohl Forschungseinrichtungen von Hochschulen fördern als auch Kooperationen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen direkt fördern. Die aktuelle Finanzierungsphase bis 2020 führt aufgrund der alleinigen Bundesfinanzierung zudem faktisch zu größeren Finanzierungsanteilen des Bundes bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die missionsorientiert in ein neues Gesamtkonzept von Bund und Ländern systematisiert werden müssen. Dieses Konzept muss die globalen wie gesellschaftlichen Herausforderungen adressieren und auch zentrale fachpolitische Maßnahmen aufnehmen, wie etwa die Schaffung einer Allianz für Meeresforschung. Auf dieser neuen Basis müssen verlässliche jährliche Steigerungsraten, an denen sich die Länder wieder angemessen beteiligen müssen, auch nach 2020 weiter und zusätzlich zur institutionellen Förderung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen geleistet werden. Daher können und sollen sie stärker als bisher mit klaren, überprüfbaren Zielvereinbarungen – beispielsweise im Bereich der Gleichstellung, der Nachwuchsförderung oder zur Senkung des Anteils befristeten Personals – verknüpft werden.
- Zweitens halten wir eine unbefristete Fortführung der Programpauschalen in der Förderung der DFG und der Bundesforschungsprogramme für notwendig. Die durchschnittlichen Overhead-Kosten von Forschungsprojekten variieren je nach Fachrichtung sehr stark, Untersuchungen haben einen durchschnittlichen Anteil von 42 Prozent ermittelt. Der derzeitige Zuschussanteil von 22 Prozent ist somit deutlich zu niedrig. Er soll daher für die Jahre nach 2020 mindestens auf 40 Prozent angehoben werden, wobei die Länder bis 2030 weiter 10 Prozent davon tragen. Die Gesamtkosten belaufen sich für 2021-2030 auf rund 8,6 Mrd. Euro.
Aktionsplan Digitalisierung
Als eine Antwort auf den Megatrend der Digitalisierung schlagen wir als vierter Baustein einen gemeinsamen Aktionsplan von Bund und Ländern vor, in der die digitale Herausforderung für die Ausstattung, Lehrformen und -inhalte, Forschungspraxis und nicht zuletzt Hochschulverwaltung angegangen wird. Ein wirksamer Beitrag kann der Bund hier zu zwei Schwerpunkten leisten:
- Erstens eine Strategie für Nationales Hochleistungsrechnen, weil Kapazitäten zur Erfassung und Analyse großer Datenmengen in immer mehr Fachgebieten zur kritischen Variable für den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt werden. Damit wird Hochleistungsrechnen (HLR, bzw. High Performance Computing, HPC) zur neuen „kritische Forschungsinfrastruktur“ mit stark wachsender Nachfrage und vergleichsweise kurzen Reinvestitionszyklen. Deutschland braucht daher eine übergreifende HLR-Strategie, die auf Dauer angelegt ist und sich an den Wissenschaftsratsempfehlungen anlehnt. Bund und Länder sollen in dieser Strategie mit dem Ziel zusammenwirken, den Ausbau und die laufende Modernisierung leistungsfähiger wissenschaftlicher Rechenzentren besser aufeinander abzustimmen, die hochschul- und einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit zu intensivieren, die europäische Kooperation zu erleichtern und unter Einbeziehung der Bauanpassungs-, Personal- und Betriebskosten das HLR außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe Forschungsbauten und Großgeräte (GA FuG).effizienter zu fördern. Aufgrund der Dringlichkeit muss diese Maßnahme frühestmöglich, spätestens 2019 beginnen. Dabei sollten Bund und Länder zur Umsetzung der Strategie zusätzlich zu den bisher im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Forschungsbauten bereit gehaltenen Mittel im ersten Jahr rund 60 Mio. Euro zur Verfügung stellen und diese Mittel mindestens bis 2030 kontinuierlich steigern (Gesamtvolumen 2019 bis 2030 bei einer jährlichen Steigerung von 5 Prozent somit rund 1,06 Mrd. Euro). Aufgrund der nationalen Bedeutung sollte der Bund mindestens die Hälfte der Mittel tragen.
- Einen zweiten Beitrag des Bundes zu einem Aktionsplan sehen wir in einem befristeten Wettbewerb zur Förderung vernetzter hochschulischer Digitalisierungskonzepte für Ausstattung, Lehre, Forschung oder Verwaltung. In einem wettbewerblichen Verfahren sollen für einen Zeitraum von 2 x 5 Jahren mit Zwischenevaluierung bis zu 30 Hochschulen und insbesondere Hochschulkooperationen jährlich 3-6 Mio. Euro pro beteiligter Hochschule zur Umsetzung der Konzepte. Um Insellösungen zu vermeiden und Vernetzungsanreize zu setzen sollten Kooperationen bevorzugt und der Förderbetrag mit der Zahl der beteiligten Hochschulen progressiv wachsen. Der Gesamtaufwand könnte je nach Verteilung der Förderfälle jährlich rund 200-220 Mio. Euro erreichen, für die Jahre 2021-2030 damit bis zu 2,2 Mrd. Euro. Bund und Länder tragen dies je zur Hälfte.
Profilpakt Hochschulmedizin
Der hohe Anteil der Versorgungsleistungen an allen Universitätsklinika sowie das Ausbleiben einer politischen Lösung für eine angemessene Refinanzierung im Rahmen der Gesundheitsfinanzierung – die wir nach wie vor für dringend erforderlich halten – führen zu personellen und finanziellen hohen Belastungen an vielen deutschen Universitätsklinika. Dies engt aktuell die Freiräume für Spitzenforschung in der Hochschulmedizin empfindlich ein und verzögert auch nach Meinung des Wissenschaftsrates die Gewinnung wichtiger wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Erprobung therapeutischer Innovationen. Die Nachwuchsförderung wird beeinträchtigt und Deutschlands internationale Konkurrenzfähigkeit in der Hochschulmedizin insgesamt verringert. Die Einrichtung der Deutschen Gesundheitszentren war ein wichtiger Schritt. Aber um eine Stärkung der Hochschulmedizin insgesamt zu erreichen, müssen sie durch einen Profilpakt ergänzt werden, der gezielt die medizinischen Forschungstätigkeiten an den Universitätsklinika und den medizinischen Fakultäten fördert. Um die Profilierung und Spezialisierung der medizinischen Forschung und die entsprechende Personalentwicklung zu stärken, stellen Bund und Länder daher in einem wettbewerblichen Verfahren befristet zusätzliche Mittel zur Verfügung. Angelehnt an den Wissenschaftsratsempfehlung erhalten für den Zeitraum von 2 x 5 Jahren mit Zwischenevaluierung in einem ersten Schritt mindestens 10 erfolgreiche Profilierungskonzepte bis zu 10 Mio. Euro zusätzlich im Jahr zur ihrer Umsetzung. Bund und Länder tragen die Kosten von jährlich rd. 100 Mio. Euro bzw. für 2021-2030 von rund 1 Mrd. Euro je zur Hälfte.
Soziale Dimension integrieren
Bis heute wirkt sich die soziale Herkunft aus bildungsfernen oder finanzschwachen Familien negativ auf den Zugang zu einem Studium aus. Gleichzeitig konnten sie sozialen Infrastrukturen an den Hochschulen bisher nicht mit der akademischen Bildungsexpansion Schritt halten und belasten die soziale Lage der studierenden zusätzlich. Dieser Baustein hat daher zum Ziel, die sozialen Zugangshürden zu senken und den erforderlichen Ausbau der Beratungs- und Betreuungseinrichtungen – auch und zur Kinderbetreuung – sowie der Mensenplätze an den Hochschulen verbindlicher als bisher zu vereinbaren. Auch für diesen Baustein kann der Bund zwei wirksame Beiträge leisten:
- Erstens sollte der Bund sich verpflichten, die Bildungsförderung auszubauen und so die Chancengleichheit im Bildungszugang zu stärken. Dazu gehört eine zügige BAföG-Novelle, die neue Bildungsbiografien und Studierformen (Altersgrenze abschaffen, flexiblere Studieneingangsphase, Teilzeitstudium fördern, für Fortbildungsmaster öffnen usw.) besser berücksichtigt. Der Kostenumfang ist stark gestaltungsabhängig, wird aber aufgrund der neuen Anforderungen sicher nicht hinter die letzte Novelle zurückfallen. Mit der Verdopplung der Aufstiegsstipendien könnte der Bund zudem die Durchlässigkeit stärken und finanzielle Hürden für mehr gute Absolventen und Absolventinnen aus beruflichen Bildung absenken.
- Zweitens sollte der Bund Mittel für ein Sanierungs- und Bauprogramm für studentisches Wohnen bereitstellen, mit dem die Studierendenwerke ihr Angebot an preisgünstigen Wohnraum gerade in den Ballungszentren ausbauen können. Die Mietpreise an einem attraktiven Studienstandort dürfen nicht zur neuen sozialen Selektion unter den Studierenden führen. Für dieses Programm mit dem Schwerpunkt auf zusätzlichen Wohnraum sollte der Bund mit den Ländern ein 5-Jahres-Programm bis 2025 auflegen und mit mindestens 600 Mio. Euro ausstatten, die je zur Hälfte getragen werden.
Der Zukunftsvertrag Wissenschaft und Forschung ist eine kraftvolle gemeinsame Antwort von Bund und Ländern auf die Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts. Er weist den erforderlichen Mix auf aus dauerhaften Elementen etwa für die Daueraufgaben in Lehre und Forschung, der Bildungsförderung sowie dem wissenschaftlichen Hochleistungsrechnen, die auch nach 2030 fortgeführt werden. Und er enthält befristete Maßnahmen wie im Bereich des Nachwuchses an Fachhochschulen und HAW, der Digitalisierung an Hochschulen, dem Ausbau beim studentischen Wohnraum oder der Stärkung der hochschulmedizinischen Forschung, deren Ziele bis 2030 erreichbar sind. Der Zukunftsvertrag bietet dabei wichtige und jeweils angemessene Gestaltungsmöglichkeiten von Bund und Ländern. Er nutzt deren veränderten finanziellen Spielräume, um gemeinsam den Übergang zu einer verlässlicheren und dauerhaften Finanzierungsarchitektur für eine positive Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in Deutschland zu schaffen.