Die Fortsetzung des Hochschulpaktes, die Evaluation der Exzellenzinitiative, die Fortführung des Paktes für Forschung und Innovation und die Abschaffung des Kooperationsverbotes im Bereich der Wissenschaft bilden einen neuen Rahmen, den es nun gilt mit Konzepten zu füllen. Der Vorsitzende des Wissenschaftsforums Christoph Matschie beschreibt, wie dies aus seiner Sicht geschehen kann. Seine Stichworte dabei sind die Verbesserung der Qualität der Lehre, die Schaffung verlässlicher Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs, die künftige konzeptionelle Ausgestaltung der der Exzellenzinitiative sowie die weitere Profilierung und Differenzierung der Hochschulen.
Die Wissenschaft treibt mit ihren Erkenntnissen und Fragen ganz wesentlich die Entwicklung der modernen Gesellschaft an. Ob Energieversorgung, ob Mobilität oder Kommunikation, ob Gesundheit oder Bildung, in allen Bereichen haben wissenschaftliche Erkenntnisse und neue technische Lösungen in den letzten Jahrzehnten rasante Entwicklungen angestoßen. Große Menschheitsherausforderungen wie Klimawandel, Umweltzerstörung und Globalisierung sind ohne wissenschaftlichen Fortschritt nicht zu meistern. Und natürlich hängen auch wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze hierzulande ganz wesentlich von der Innovationskraft wissenschaftlicher Erkenntnisse ab.
Die Sozialdemokratie hat neben dem Fortschritt der Gesellschaft als Ganzes seit jeher auch den Aufstieg des Einzelnen durch akademische Bildung im Blick gehabt. Akademische Bildung muss aus unserer Sicht unabhängig von Herkunft und Geldbeutel für alle zugänglich sein.
Das Wissenschaftsforum dient uns als Plattform für die Debatten um die richtigen Grundlinien in der Wissenschaftspolitik. Seit seiner Gründung vor nunmehr 25 Jahren laden wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hochschulen und außeruniversitären Forschungsorganisationen, Vertreter der Personalräte und Gewerkschaften sowie Interessierte dazu ein, gemeinsam mit den politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern neue Ansätze in der Wissenschaftspolitik zu diskutieren.
Bund und Länder haben in den vergangenen Wochen wichtige Weichenstellungen vorgenommen und damit einen verlässlicher Rahmen für die weitere Entwicklung der deutschen Wissenschaftslandschaft geschaffen. Der Hochschulpakt, mit dem Bund und Länder gemeinsam zusätzliche Studienplätze und gute Lehre an den Hochschulen finanzieren, ist nun für die Zeit nach 2018 gesichert. Die Exzellenzinitiative zur Förderung der Spitzenforschung wird evaluiert und über das Jahr 2017 hinaus fortgeführt. Mit der Fortsetzung des Pakts für Forschung und Innovation erhalten die gemeinsam von Bund und Ländern finanzierten Forschungseinrichtungen auch nach 2015 eine verlässliche Finanzierung mit weiteren Aufwüchsen. Die Änderung des Grundgesetzes zur Abschaffung des Kooperationsverbotes im Bereich der Wissenschaft ist auf einem guten Wege. Bei diesen wichtigen Entscheidungen waren es maßgeblich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, in Bund und Ländern die diese wichtigen Entscheidungen vorangetrieben und zum Erfolg geführt haben.
Den so geschaffenen Rahmen gilt es nun mit Konzepten zu füllen. Dabei stehen vor allem vier Bereiche im Mittelpunkt.
Mit welchen Ansätzen verbessern wir die Qualität in der Lehre? Die Hochschulen sehen sich dabei vor erheblichen Herausforderungen. Die Zusammensetzung der Studierenden hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert und dieser Wandel wird sich auch zukünftig fortsetzen. Die Hochschulen werden „bunter“ – vor allem aus drei Gründen: Immer mehr junge Menschen entscheiden sich für ein Studium an einer Hochschule. Lag die Studienanfängerquote an unseren Hochschulen im Jahr 2000 noch bei 30 Prozent so sind es heute deutlich über 50 Prozent. Das bedeutet dass die Studierenden in ihrem Leistungsspektrum sehr viel heterogener geworden sind. Zum zweiten interessieren sich immer mehr Studierende und Wissenschaftler aus dem Ausland für ein Studium oder eine Tätigkeit an einer deutschen Hochschule. Unsere Hochschulen sind damit zu Zuwanderungsmagneten geworden, mit denen wir auch dem demografischen Trend einer älter werdenden und schrumpfenden Gesellschaft entgegenwirken können. Aber die Zugewanderten müssen auch gut in den Hochschulen und ihrem Umfeld integriert werden. Drittens schließlich trägt zur wachsenden Vielfalt die Öffnung für beruflich Qualifizierte bei. Diese Öffnung ist ein zentrales Anliegen sozialdemokratischer Wissenschaftspolitik. Beruflich Qualifizierte sollen mit ihrer Berufs- und Lebenserfahrung die Möglichkeit haben sich den Anforderungen eines Studiums ohne Zugangshürden zu stellen. Gute Lehre heißt: diese wachsende Vielfalt bei den Studierenden aufzunehmen und ihr mit individuellen Angeboten zu begegnen.
Ein zweiter Bereich ist der wissenschaftliche Nachwuchs. Hier müssen wir deutlich früher verlässliche Perspektiven eröffnen. Viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen ihre Ideen in Forschung und Lehre selbständig und eigenverantwortlich umsetzen. Gleichzeitig sind wichtige Lebensentscheidungen, wie die Familienplanung in der Qualifizierungsphase Risikofaktoren. Das Ziel muss sein, transparente und strukturierte Karrierewege an den Hochschulen zu schaffen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die tenure-track-Professur. Hier erhalten junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler die Chance bei fachlicher Bewährung ohne weitere Ausschreibung direkt in eine dauerhafte Professur berufen zu werden. Der von der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagene „Zukunftspakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ ist ein guter Ansatz, um der tenure zum breiten Durchbruch zu verhelfen. In diesem Zusammenhang gilt es auch, die Personalstruktur an den deutschen Hochschulen zu diskutieren. Brauchen wir neue Personalkategorien und müssen wir das Verhältnis zwischen wissenschaftlichem Mittelbau und Professoren durch einen deutlichen Ausbau der Professuren verändern – so, wie es der Wissenschaftsrat vorschlägt?
Ein dritter Bereich ist die konzeptionelle Ausgestaltung zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative und der gemeinsamen Förderung der Spitzenforschung durch Bund und Länder. Im Koalitionsvertrag im Bund findet sich das Stichwort der regionalen Verbünde. Mit der Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bereich der Wissenschaft besteht die Chance, dass Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen deutlich besser gemeinsame strategische Ziele in einer verlässlichen Finanzierungsperspektive verfolgen können. Dies gilt in Forschung und Lehre, genauso wie beim Technologietransfer und gemeinsamer wissenschaftlicher Infrastruktur. Wie organisieren wir dass die Exzellenzförderung sowohl Verlässlichkeit für längere Zeiträume als auch Wettbewerb ermöglicht? Eine entscheidende Gelingensbedingung wird auch die Governance-Struktur der regionalen Verbünde sein, mit der strukturell die gemeinsame Perspektive ermöglicht wird. Und bedeutsam ist dabei auch die Frage nach erfolgreichen Steuerungsmodellen der öffentlichen Hand unter den Bedingungen von Hochschulautonomie.
Ein vierter Bereich ist die weitere Profilierung und Differenzierung der Hochschulen. Für eine nationale und internationale Sichtbarkeit müssen die Hochschulen in ihren Schwerpunkten klare Alleinstellungsmerkmale herausbilden. In diesem Zusammenhang muss auch die Frage diskutiert werden, ob es wirklich eines Promotionsrechts für Fachhochschulen bedarf oder ob durch die verbindliche Ausgestaltung kooperativer Promotionen die beiden Hochschultypen ihre jeweiligen Stärken besser entfalten können.
Das Wissenschaftsforum will als Plattform die verschiedenen Akteure in der Wissenschaftspolitik zusammenführen. Gemeinsam wollen wir in den kommenden Monaten die aktuellen Debatten begleiten und thematische Diskussionsangebote eröffnen. Hierzu lade ich Sie herzlich ein.
Christoph Matschie
Vorsitzender des Wissenschaftsforums