Eine besondere Stärke des Wissenschaftsforums ist, dass es nicht nur bundesweit sondern auch auf regionaler Ebene organisiert ist. Jüngstes Mitglied im Kreis der regionalen Foren ist das Wissenschaftsforum Sozialdemokratie in Baden-Württemberg e.V.. Dr. Marc Dressler, im Dezember 2014 neu gewählter Vorsitzender, gibt einen Einblick in die Ziele und Formate des neuen Forums. Die virtuelle Organisationsform vermittelt einen Eindruck davon, wie sich das Wissenschaftsforum in Zukunft weiterentwickeln kann.
Aus der baden-württembergischen Wissenschaftspolitik gibt es große Neuigkeiten: Die grün-rote Landesregierung wird die Grundfinanzierung der Hochschulen von aktuell 2,47 Milliarden Euro auf über drei Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 anheben. Es gibt aber auch etwas kleinere Neuigkeiten: Das Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie in Baden-Württemberg e.V. streift sich derzeit die Asche von den Flügeln, um zum Jahreswechsel in neuer Gestalt aufzusteigen.
Zugegeben, wir wissen nicht, ob der Vogel fliegen wird. Doch angesichts der im ganzen Land verstreuten wissenschaftspolitischen Expertise und der freundlichen Unterstützung aus dem Willy-Brandt-Haus will ein noch kleiner, aber stetig wachsender Haufen wissenschaftspolitisch begeisterter Sozialdemokratinnen und SPD-naher Wissenschaftler im erneuerten Forum sowohl das Politikfeld Wissenschaft beackern als auch Themen aus der Wissenschaft in die Politik tragen, um die Ungleichzeitigkeit zwischen Wissenschaft und Politik zu verkürzen.
Die Neuerung des Forums besteht im Wesentlichen darin, dass es virtuell aufgezogen wird. Ziel ist es, die wissenschaftspolitische Expertise zu sammeln, zu vernetzen und online öffentlich zugänglich zu machen. Im externen Bereich des Forums posten die Mitglieder – nach ihrer Anmeldung – ihre Ideen, Links zu interessanten Seiten, relevante Beschlüsse auf allen Parteiebenen, Kommentare usw. Die Beiträge werden nach Themenfeldern wie Bau, Personal, Finanzierung oder Open Access rubriziert, so dass die thematische Suche erleichtert wird und zu gebündelten Informationen führt. Dabei wird die Taxonomie dynamisch anpassbar sein an aktuelle wissenschaftspolitische Entwicklungen.
Im internen Bereich des Forums werden in einer Art ständiger Mitgliederversammlung vereinsbezogene Angelegenheiten geregelt. Weil liquide Demokratie vereinsrechtlich noch immer ein vermintes Terrain ist, sieht die geänderte Satzung virtuelle Mitgliederversammlungen vor, zu denen extra eingeladen wird und die sich über einen Zeitraum von zwei Wochen erstrecken.
Mit der Virtualisierung des Forums wollen wir erreichen, schneller, aktueller und inklusiver zu sein als physisch organisierte Gremien: jedes Mitglied kann jederzeit auf das Forum zugreifen. Es erspart nervtötende Terminkoordinierungen und zeitraubendes Reisen zu Vorstandssitzungen oder Mitgliederversammlungen. Vom Bodensee bis zur Tauber, vom Oberrhein bis zur Jagst sind die Transaktionskosten für Teilnahme und Mitbestimmung am Wissenschaftsforum nicht nur gleich, sondern minimal. Daran ändert auch ein Umzug über die Landesgrenzen hinaus nichts.
Inklusivität ist beim Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie in Baden-Württemberg e.V. Programm. Wir verstehen uns nicht als Transmissionsriemen für Lobbyisten von Wissenschaftsorganisationen. Auch wissenschaftskritische Stimmen sind im Forum willkommen. Wissenschaftliche Erkenntnis ist für uns eine hart erarbeitete Errungenschaft, keine jungfräuliche Empfängnis. Wo Menschen arbeiten, entstehen Abhängigkeiten – die wollen wir im Blick behalten. Denn wo Menschen arbeiten, steht ihnen seit jeher die Sozialdemokratie zur Seite.
Zumal auch die Wissenschaft ausgehöhlt zu werden droht von der ubiquitären Verwertungslogik des Neoliberalismus. Die frisst sich unersättlich in das Selbstverständnis von Universitäten, das heute Leitbild heißt: Die Universitäten sind unternehmerisch organisiert, streben nach Marktführerschaft (in Rankings), sie sind kundenorientiert, sie rekrutieren Professorinnen und Studierende oder betreiben Hochschul-PR. Letztere reicht bis hinein in Drittmittelanträge für Forschungsprojekte, die von potenziellen Verwertungen der zu erwartenden Forschungsergebnisse nur so strotzen.
Doch jenseits des Marktgeschreis von wissenschaftlicher Innovation und wirtschaftlichem Wachstum hört man von kaum einer alternativen gesellschaftlichen Funktionen der Wissenschaft: Big Science ziemlich kleinlaut. Man gewinnt fast den Eindruck, als wäre das aufklärerische Fegefeuer feudaler Eitelkeiten verglommen zu einem wärmenden Nährboden einer grundfinanzierten Restauration. Nicht zuletzt im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg. Um nicht von der instrumentellen Vernunft überrollt zu werden, wollen wir in einer inklusiven Dialektik der Aufklärung die emanzipatorische Kraft der Sozialdemokratie wissenschaftspolitisch stärken. Wird also Zeit, dass Phönix sich aus der Asche erhebt – vor Einbruch der Dämmerung!
Weitere Informationen unter: Wissenschaftsforum Baden-Württemberg
Dr. Marc Dressler
Vorsitzender des Wissenschaftsforum Sozialdemokratie in Baden-Württemberg e.V