Perspektiven für die Hochschulfinanzierung

Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, neue Bund-Länder Förderung im Hochschulbereich nach Art. 91b Grundgesetz und Integrationsfinanzierung Hierüber diskutierten am 8. März 2016 Staatssekretär Rudolf Zeeb, Chef der Staatskanzlei des Landes Brandenburg, Prof. Oliver Günther, PhD, Präsident der Universität Potsdam, Maja Wallstein, Vorsitzende der Jusos Brandenburg und Volker Bley, Hochschulkanzler a. D. unter der Moderation von Klaus Faber, Staatssekretär a. D., RA sowie ein fachkundiges Publikum auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern e.V., der Jusos Brandenburg, der Juso Hochschulgruppe Potsdam und des SPD-Ortsvereins Potsdam Mitte/Nord.

Ausgangspunkt der Diskussion waren die derzeitigen Verhandlungen des Bundes und der Länder verhandeln über eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen (vgl. dazu die Position der SPDBundestagsfraktion vom 25. 1. 2016: – Download hier . Diese Verhandlungen sind nicht nur für den Hochschulbereich von herausragender Bedeutung. Bis 2020 laufen einige wichtige Bund-Länder-Regelungen zur gemeinsamen Hochschulfinanzierung aus. Dazu gehören verschiedene Bund-Länder Hochschulpakte.

In den Verhandlungen spielt als Hintergrund auch eine Rolle, dass die Gemeinschaftsaufgabe zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Wissenschaft nach Art. 91 b GG 2015 entscheidend erweitert worden ist. Art. 91 b GG bietet jetzt Bund und Ländern neue Möglichkeiten der gemeinsamen Finanzierung. Bund und Länder können auf der Grundlage von einstimmig zu beschließenden Bund-Länder-Vereinbarungen auch Hochschuleinrichtungen und Hochschulen fördern. Eine zeitliche Programmbegrenzung ist dabei rechtlich nicht notwendig. Eine entsprechende Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, damit auch im Schulbereich, gibt es bislang nicht – trotz entsprechender Forderungen der Bundes-SPD.

In die Bund-Länder-Finanzdebatte ist ebenso die von vielen Seiten vorgeschlagene neue Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen für die Integrationsfinanzierung einzubeziehen. Wie ist der Stand der Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen auch mit Blick auf die Wissenschaftsförderung und die Integrationsfinanzierung zu beurteilen? Wer gehört nach dem jetzt vorliegenden Verhandlungsstand zu den „Gewinnern“ und wer zu den „Verlierern“?

Zu dieser Veranstaltung entwickelten Volker Bley (Wissenschaftsforum) und Florian Görner (Juso-HSG Potsdam) für das Wissenschaftsforum einige Thesen:

  1. Think global – act local: Dies wäre unsere Anregung zum Umgang mit der Herausforderung der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern im Bereich der Bildung, spezifisch im Bereich der höheren Bildung.
  2. Als Personen erleben wir Bildung individuell. Wir kennen die Bildungsbiographie unserer Familien, den Bildungsstand unserer Eltern, unserer Freunde, Geschwister, Cousinen und Cousins. Womöglich auch die der Kinder unserer Freunde, unserer Nichten und Neffen oder unserer Kinder. Wir wissen um die Bedeutung von Bildung und Ausbildung für die soziale und gesellschaftlich Positionierung von Individuen in unserer Gesellschaft, für die Fähigkeit auch zur Teilhabe am Diskurs in einer demokratisch organisierten Gesellschaft, für das Verständnis der damit zusammenhängenden Prozesse. Wir wissen auch um die individuelle Bedeutung von Bildung für gelungene Integration. Individuelle Bildungsbiografien sind gesellschaftliche Treiber.
  3. Bei den Verhandlungen um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen geht es um gesellschaftliche Entwicklungen und deren Finanzierung. Wir haben erfahren, wie die Ausweitung des Bildungssystems durch die Regierung von Bundeskanzler Willy Brandt erhebliche Kräfte freigesetzt hat, die es unserer Gesellschaft im kalten Krieg ermöglicht hat, sich zu wandeln und zu modernisieren. Neben der Ostpolitik war dies eine der langfristig wirksamsten und wichtigsten Entscheidungen Anfang der 1970er Jahre in der Bundesrepublik. Sie war auch eine Reaktion auf internationale Entwicklungen im Bildungsbereich, von der unsere Gesellschaft noch heute erheblich profitiert, wie die kräftige Entwicklung der Hochschulen seit der Wiedervereinigung deutlich zeigt.
  4. Wir sprechen über einen Bereich, der sich fiskalisch mächtig darstellt. Vier Fünftel des Bildungsbudgets werden derzeit durch die öffentliche Hand finanziert. Das waren 2012 knapp 145 Mrd. Euro. Von den direkten Bildungsausgaben (2012: 112 Mrd. Euro) wurden 71,9 % durch die Länder getragen, 7% vom Bund und 21 % von den Gemeinden.
  5. Wir stehen wieder vor der Frage, wohin die Reise gehen soll. Wo liegen unsere Interessen im Bereich der Bildung. Wie laufen die Trends, wie wollen wir sie beeinflussen? Wo liegen die überregionalen oder auch nationalen Interessen im Bildungsbereich, in denen der Bund künftig im föderalen System unseres Landes eine größere Rolle spielen darf?
  6. Wir möchten Ihnen eine Frage stellen: Was glauben Sie, wie viele Menschen in der Altersgruppe 25 – 34 Jahre in Deutschland ein Studium1 abgeschlossen haben? Antwort: 19 Prozent waren dies im Jahre 2012. In einer gemeinsamen Anstrengung haben wir uns hochgearbeitet. 1998 und auch noch 2003 lag der Wert bei 14 Prozent. Österreichs Wert lag 2003 bei 8 Prozent und liegt jetzt bei 18. Die Schweiz konnte den Wert von 20 auf 32 Prozentpunkte steigern und liegt damit leicht über der OECD und dem EU21-Durchschnitt. Z.B. die Gesellschaften in den USA (34), Großbritannien (40), Polen (41) oder Israel (33/36) haben einen deutlich höheren akademisch ausgebildeten Bevölkerungsanteil in dieser Altersgruppe. Folgerung: Bei allen Unterschieden zwischen den Bildungssystemen die auch zu bestimmten Unschärfen in der Statistik führen: Wir würden sagen: Da haben wir etwas zu gestalten.
  7. Diese Werte führen uns den Fakt vor Augen, dass trotz des ausgeprägt guten dualen Ausbildungssystems für viele Berufe in Deutschland, steigende Quoten höherer Bildung ein klarer Trend in europäischen Gesellschaften und international sind. Das zeigt auch die Entwicklung der Zahl der Studienanfänger in Deutschland, die seit der Wiedervereinigung Deutschlands von knapp 300.000 auf gut 500.000 pro Jahr gestiegen sind.
  8. Es ist ein bisschen unklar, wie genau sich die Beteiligung an der höheren Bildung in Zukunft entwickeln wird, aber es wird davon auszugehen sein, dass die Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern, der Studierenden im System der höheren Bildung hoch bleiben wird. Das Bildungsniveau in unserer Gesellschaft insgesamt wird weiter steigen. Die Institutionen der Wissenschaft werden sich in einem Prozess über die nächsten Jahre weiter verändern: Der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD beschreibt in seiner Strategie 2020 sehr treffend die wichtigsten künftigen Herausforderungen an die Hochschulen: Individuelle Förderung in weltoffenen Strukturen.
  9. Für die Aufgaben der Integration im weiteren Sinne – von ausländischen Studierenden, auch von Flüchtlingen, von Elementen des dualen Systems in Form von dualen Studiengängen, von Studienanfängern ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung, von internationalen Mitgliedern der Fachbereiche und Fakultäten und für eine insgesamt erhöhte Kooperation im Internationalen Wissenschaftssystem und in regionalen Verbünden entwickeln die Hochschulen bereits neue Strukturen. Dies geht nachhaltig aber nicht nur mit zeitlich befristeten Projektmitteln, sondern dafür bedarf es auch einer veränderten, erhöhten institutionellen Finanzierung.
  10. Wir wissen, dass die Finanzierung der Hochschulen in den Verhandlungen über die Bund-Länder Finanzbeziehungen, sofern sie nicht die Fortführung der auslaufenden Hochschulpakte und deren Volumen betreffen, nur marginal Eingang in den einstimmigen Beschluss der Ministerpräsidenten Konferenz zu den Bund-Länder Finanzbeziehungengefunden haben. Das neue Instrument von Art. 91b Grundgesetz wird bisher nicht ernsthaft genutzt. Vor diesem Hintergrund nennen wir aus unserer Sicht einige Themen und Bereiche, die sich für eine Ausweitung der Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von höherer Bildung eigenen könnten:
    a) Globale und überregionale Vernetzung : Strukturelle Förderung der Hochschulen der Länder an Grenzen und in Grenzregionen und zur überregionalen und internationalen Vernetzung durch den Bund.
    b) Duale Studiengänge / Weiterbildung / lebenslanges lernen : Beitrag des Bundes zu einem nationalen Fonds für duale Studiengänge/Weiterbildung/lebenslanges Lernen, in den auch die Unternehmen/Arbeitgeber einzahlen und mit dem der Finanzierungsmechanismus der dualen Ausbildung in anderer Form weitergeführt wird. Ziel: Schaffung einer klaren Finanzierungsgrundlage für die überregionale bzw. nationale Aufgabe Weiterbildung/Qualifizierung, an deren Lösung auch der Hochschulbereich maßgeblich beteiligt ist.
    c) Ausländische Studierende/Integration : Die Studiengebührenfreiheit für internationale Studierende wird als ein großes Plus des deutschen Hochschulssystems angesehen. Von der zunehmenden international zusammengesetzten Studierendenschaft (im Bundesdurchschnitt 11,7 % ausländische Studierende) profitieren Gesellschaft und Volkswirtschaft. Wenn Internationalisierung im Rahmen der Art. 91 b GG Verhandlungen zwischen Bund und Ländern beraten wird, sind wir gut beraten, die vielfältigen positiven Auswirkungen zum Beispiel der Gebührenfreiheit des Studiums für internationale Studierende in Deutschland zu beachten. Aber vielleicht könnte sich – bei aller Vorsicht im Hinblick auf die Diskussion – in diesem Themenbereich überregionalen bzw. nationalen Interesses ein Volumen für eine finanzielle Förderung der Hochschulen der Länder durch den Bundes herleiten lassen (z.B. Beteiligung des Bundes an den um Forschung und Entwicklung bereinigten Kosten für das Studium von ausländischen Studierenden (Bundesdurchschnitt: 11,7 %, BB: 13,7%, B: 16,7%, MV: 6,3% ). Oder: Zuweisung von Ressourcen in Höhe des EU21/OECD Mittelwerts an die Hochschulen für ausländische Studierende (15.000 / 17.000 US $ (2012) je Studienjahr (während der Regelstudienzeit / bei Abschluss o.ä)

Zum Abschluss der Veranstaltung betonte der Präsident der Universität Potsdam, Prof. Oliver Günther, PhD auch mit Blick auf den laufenden Hochschulpakt, dass die Hochschulen am nachgefragten Hochschulstandort Potsdam bei entsprechender Finanzierung durch das Land ganz sicher 5.000 Studienplätze mehr anbieten und im Wettbewerb um Studienanfänger erfolgreich besetzen könnten. Mindestens 30 Millionen Euro jährlich seien dafür erforderlich.