Der Wissenschaftsbereich, insbesondere die Hochschulen, sind ein besonderer Arbeitsbereich. Sie sind geprägt von Qualifizierungsphasen, aber auch von wissenschaftlicher Arbeit, die wir als solche verstehen sollten. Mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz wurde neben dem Teilzeit- und Befristungsgesetz eine gesetzliche Grundlage für Befristungen von Arbeitsverträgen von wissenschaftlichem und künstlerischem Personal etabliert, die den Besonderheiten des Wissenschaftssystems Rechnung trägt. Bei aller Kritik an dem Gesetz und an der Auslegung des Gesetzes, die auch ihre Berechtigung hat, ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz aber ein wichtiger Rahmen für den Arbeitsplatz Wissenschaft. Es sorgt dafür, dass auch junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Chancen erhalten, hauptberuflich wissenschaftlich tätig sein zu können. Durch die Änderungen des Gesetzes, die 2016 in Kraft getreten sind, wurden noch einmal wichtige Verbesserungen vorgenommen. Vor allem wurde zunehmenden Kurzzeit- und Kettenbefristungen entgegengewirkt und substantielle Verbesserungen bspw. durch die Berücksichtigung von Betreuungszeiten für Familien vorgenommen. An den Verbesserungen war auch die SPD damals nicht unbeteiligt. Für das kommende Jahr 2020 steht die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes an und ich bin gespannt, welche Schlüsse wir auf Grundlage der Evaluationsergebnisse aus den Änderungen ziehen können.
Im föderalen System in Deutschland sind für Hochschulen zunächst einmal die Länder zuständig. Darüber hinaus können sie mit dem Bund Vereinbarungen treffen, die auch auf die Verbesserung von Arbeitsbedingungen an Hochschulen zielen. Bund und Länder haben in den vergangenen Jahren und Monaten wegweisende und wichtige Vereinbarungen getroffen, die auch das Thema Gute Arbeit an Hochschulen beeinflussen und Arbeitsbedingungen verändern werden.
Dazu gehört das Programm zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses, auf das sich Bund und Länder 2016 verständigt haben und mit dem wir Karrierewege an Universitäten planbarer und transparenter machen. Dafür wird die Tenure-Track-Professur als eigenständiger Karriereweg neben den herkömmlichen Qualifizierungswegen hin zu einer Professur stärker im Hochschulsystem verankert und damit sichtbarer. Insgesamt werden im Rahmen des Programms 1.000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren geschaffen. Dafür stellt der Bund bis zu einer Milliarde Euro bereit. Die Länder stellen eine Kofinanzierung dieser Stellen sicher. Zusätzlich dazu müssen antragsstellende Universitäten Personalentwicklungskonzepte nachweisen. Damit ist die Förderung dieser zusätzlichen Tenure-Track-Professuren immer auch eingebettet in eine systematische Planung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der jeweiligen Hochschule. Dieses Bund-Länder-Programm ist nicht nur ein Förderprogramm für zusätzliche Tenure-Track-Stellen, sondern vielmehr auch eine Chance, Karriereentwicklung und neue Wege zu Professuren im Hochschulsystem fest zu verankern und zu etablieren.
In Rheinland-Pfalz sind wir diesbezüglich schon recht weit. Wir haben bereits vor über zehn Jahren als eines der ersten Länder die Juniorprofessur eingeführt, die frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit ermöglicht und besonders Frauen bessere Chancen zur Teilhabe an Wissenschaft eröffnet. Der Anteil der Juniorprofessuren an den Universitätsprofessuren liegt in Rheinland-Pfalz mit 5,1 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von rund 3,3 %. Damit arbeitete rund jede 15. Juniorprofessorin oder -professor 2016 in Rheinland-Pfalz. Für Anschlüsse zur Professur haben sich die rheinland-pfälzischen Universitäten in ihren Zielvereinbarungen mit dem Land 2015 verpflichtet, künftig verstärkt Juniorprofessuren mit einer Tenure-Track-Option einzurichten. Ziel ist, dass jede zweite Juniorprofessur solch eine Option erhält.
Darüber hinaus haben Bund und Länder auch die Förderung von Frauen an den Hochschulen und insbesondere die Gleichstellung auf Ebene der Professur im Blick. Mit dem Professorinnenprogramm, dass es bereits seit mehr als zehn Jahren gibt, werden Frauen in ihrer wissenschaftlichen Karriere gezielt unterstützt. Mit dem Programm werden nicht nur Erstberufungen von Frauen auf Professuren gefördert, sondern auch Anreize zur Entwicklung von Gleichstellungskonzepten gesetzt, die Voraussetzung sind für eine erfolgreiche Beteiligung der Hochschulen. So wird sichergestellt, dass die Förderung im Rahmen des Professorinnenprogramm eingebettet ist in gleichstellungspolitische Maßnahmen, die langfristig dazu führen, dass Frauen auch auf Ebene der Professur gleichermaßen wie Männer vertreten sind.
Neben den wissenschaftlichen Karrierewegen an Universitäten haben Bund und Länder auch die Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften in den Blick genommen und 2018 das Bund-Länder-Programm zur Personalgewinnung und -entwicklung beschlossen. Die Besonderheit der Fachhochschulprofessur, die nicht nur wissenschaftliche Befähigung, sondern auch Praxiserfahrung voraussetzt, bedarf auch spezieller Förderinstrumente. Mit dem Programm sollen Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften bei der Etablierung von wirksamen Instrumenten zur Personalgewinnung und -entwicklung unterstützt werden. Darunter fallen Instrumente wie Schwerpunktprofessuren, kooperative Promotionen oder Tandemprogramme, die dazu beitragen, gezielt Professorinnen und Professoren zu gewinnen.
Nicht nur in diesen speziell auf Karriereförderung ausgerichteten Bund-Länder-Programmen, sondern auch in den „großen“ Pakten sind Aspekte für Gute Arbeitsbedingungen an Hochschulen berücksichtigt. Dazu zählt der ‚Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken‘, der als Nachfolgeprogramm des Hochschulpaktes erstmals verstetigt ist und mit einem Gesamtvolumen von rund 3,8 Mrd. Euro und ab 2024 sogar rund 4,1 Mrd. Euro jährlich einen relevanten Anteil an der Hochschulfinanzierung einnimmt. Durch die Verstetigung des Programms erhalten die Hochschulen Planungssicherheit. Damit fördern Bund und Länder den Ausbau unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen, insbesondere in den Bereichen, die mit Studium und Lehre befasst sind. Hier bietet sich eine Chance, durch die Hinterlegung von planbaren Mitteln dafür zu sorgen, dass Befristungen zugunsten von unbefristeten Verträgen eingedämmt werden – das ist in meinen Augen eine wichtige Weiterentwicklung der Bund-Länder-Förderung. Es ist nun an den Ländern, den Zukunftsvertrag für ihre jeweiligen Hochschulen umzusetzen und dabei auch darauf hinzuwirken, dass befristete Stellen verstetigt werden und befristet beschäftigtes Personal an den Hochschulen unbefristete Stellen erhält. Hierzu braucht es zielgerichtete Vereinbarungen mit den Hochschulen. In Rheinland-Pfalz haben wir gemeinsam mit den Hochschulen eine Hochschulinitiative für gutes Studium und gute Lehre in Rheinland-Pfalz vereinbart, mit der die Umsetzung des Zukunftsvertrags erfolgt. Im Rahmen dieser Initiative ist eine Verstetigung von 140 Mio. Euro jährlich und die Entfristung von insgesamt 750 Stellen vorgesehen. Die Verteilung der Mittel erfolgt durch verschiedene Komponenten –mit einer dynamischen Komponente sorgen wir dafür, dass die Hochschulen eigene Schwerpunkte, bspw. in den Bereichen Gleichstellung oder Qualität der Lehre setzen können. Zudem haben wir einen Innovationsfonds eingeführt, der Profilbildungsprozesse einzelner Einrichtungen an den Hochschulen fördert.
Bund und Länder haben erkannt, dass gezielte Anreizmechanismen für die Hochschulen dazu führen, dass Maßnahmen zur Umsetzung von guten Arbeitsbedingungen umgesetzt werden und nachhaltig wirken können. Neben den Bund-Länder-Vereinbarungen sind auch die Länder im Dialog mit ihren jeweiligen Hochschulen und treffen Vereinbarungen darüber, wie Gute Arbeit jeweils für sie definiert und gezielt gefördert werden kann. In Rheinland-Pfalz haben wir gemeinsam mit den Hochschulen vereinbart, dass die Hochschulen Selbstverpflichtungen für die Beschäftigungsbedingungen in Leitlinien für Gute Arbeit festzuschreiben. Dafür haben wir aus den sogenannten BAföG-Mitteln 25 Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt. Damit hat unser Bundesland sich für einen dialogorientierten Prozess entschieden, der auf in der jeweiligen Hochschule entwickelten und diskutierten Selbstverpflichtungen anstatt auf gesetzliche Regelungen setzt. Dieser Weg hat sich als erfolgreich erwiesen, wie die von den Hochschulen vorgelegten Leitbilder eindrucksvoll belegen. In den Leitlinien bekennen sich die Hochschulen zu ihrer besonderen Verantwortung für eine aufgabengerechte Personalstruktur, einen fairen Umgang mit Befristungen, für berechenbare Karrierewege und familienfreundliche Beschäftigungsbedingungen. Dabei sind Regelungen getroffen worden, die über die gesetzlichen Vorgaben des bundesweit geltenden Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hinausgehen.
Darüber hinaus haben wir in Rheinland-Pfalz seit 2014 zusätzliche 400 Dauerstellen an den Hochschulen geschaffen. Alleine über die Zielvereinbarungen zur Übernahme der Finanzierung des BAföG wurden mehr als 200 zusätzliche Stellen geschaffen. Mit der Umsetzung des ‚Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken‘ werden nun weitere 750 Stellen entfristet.
Es ist vor allem die Sozialdemokratie, die die Diskussion darüber, wie Gute Arbeit in der Wissenschaft erreicht werden kann, fortsetzen muss. Dafür sind wir auf Impulse der, vor allem jungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, der Hochschulen und Forschungseinrichtungen angewiesen. Es ist gut, wenn sich das Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie dieser Diskussion nun stellt.