Der jüngste Studienqualitätsmonitor des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zeigt: Zwei Drittel der Studierenden sind sehr zufrieden oder zufrieden mit dem Lehrpersonal an ihrer Hochschule. Die Lehrenden an den deutschen Hochschulen legen sich für ihre Studierenden ordentlich ins Zeug. Doch Lehrqualität darf nicht – und das ist sie leider – eine Frage der individuellen Aufopferung oder Fähigkeiten der Lehrenden sein. Politik und Hochschulen müssen die Rahmenbedingungen für gute Lehre und individuelle Erfolge der Lernenden schaffen. Das meint zunächst didaktische Bildungsangebote für Lehrende, wie auch Investitionen in die Ausstattung und Infrastruktur von Hochschulen. Es muss sich aber grundlegend etwas ändern: Die prekäre Beschäftigungssituation des Hochschulpersonals darf nicht länger Markenzeichen und Determinante unserer Hochschullehre sein. Deshalb muss sich die berufliche Situation des wissenschaftlichen Mittelbaus, also derjenigen Mitarbeitenden, die für den Hochschulbetrieb elementar sind, nachhaltig verbessern.
Erschreckendes bezüglich der Perspektiven offenbaren die verschiedenen, einschlägigen Erhebungen, wie beispielsweise jene zum „Wissenschaftlichen Nachwuchs 2013“: Neun von zehn Stellen sind befristet, davon nur die Hälfte Verträge mit einer Laufzeit länger als ein Jahr. Diese Abhängigkeit führt zu Existenzängsten, die Privatleben und Familienplanung bestimmen. Da der wissenschaftliche „Output“ oft über einen Anschlussvertrag entscheidet, muss die Lehre in vielen Fällen hinten anstehen – verständlicherweise. Das weit verbreitete Problem der Befristungen muss mit der von der großen Koalition anvisierten Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes endlich gelöst werden. Dazu gehören gesetzliche Mindestlaufzeiten, die Aufhebung der Tarifsperre und das Bekenntnis, dass Daueraufgaben immer mit Dauerverträgen zu erfüllen sind. Mit dem Wegfall des Kooperationsverbotes gibt es hierfür auch die entsprechenden Handlungsspielräume. Nur wenn sich die Situation im Mittelbau verbessert, kann er Gute Lehre leisten. Und auch nur so bleibt der Weg in die Wissenschaft attraktiv für die jetzigen und zukünftigen Studierenden.
Das muss ebenso für die Beschäftigten erreicht werden, die bereits während ihres Studiums an der Hochschule arbeiten. Ohne ihre Arbeit in den Instituten und an den Lehrstühlen kann Lehre nicht (mehr) stattfinden. Aber anstatt sich zu einer starken Interessengruppe zusammenzufinden, plagen den oder die einzelne*n Student*in bereits Sorgen, z.B. bei Krankheit oder wegen der zu hohen Arbeitsbelastung. Dazu erschweren studienbedingte Abhängigkeitsverhältnisse eine Auseinandersetzung mit dem*der Chef*in. Oft schreiben die Studierenden Klausuren bei denjenigen Lehrenden, für die sie arbeiten oder vertreten ihre Rechte nicht offensiv, weil sie fürchten, die Aussicht auf die Promotion zu verlieren. Werden also Arbeitszeiten nicht eingehalten, über Urlaub nie gesprochen oder andere als vereinbarte Aufgaben auferlegt, müsste eine Personalvertretung auf den Plan treten. Doch man fragt sich, welche das sein kann. In einigen Bundesländern sind die Personalräte der Hochschulen der Landesgesetzgebung zufolge ausdrücklich nicht zuständig für die Belange der studentischen Beschäftigten. Und haben sie diese Möglichkeit, so kommt Unwissen auf beiden Seiten hinzu.
Alle Beschäftigten brauchen Mitbestimmungsrechte und eine starke Vertretung. Diese Aufgabe muss von Personalräten überall wahrgenommen werden. Die Gewerkschaften brauchen gleichzeitig politische Unterstützung darin, mehr Beschäftigte informieren und vertreten zu können. Den ersten Schritt kann auch hier die Große Koalition mit der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes tun. Aber die studentischen Beschäftigten, wie alle, die für unsere Lehre zuständig sind, sind zu wichtig, um es dabei zu belassen. Das Land Berlin hat bereits einen weiteren wichtigen Schritt getan: Die Schaffung des Tarifvertrages für studentische Beschäftigte (TV Stud). In diese Richtung muss in allen Bundesländern gegangen werden.
Promovierende, Post-Docs, Honorarprofessor*innen und die studentischen Beschäftigen, vor und nach ihrem ersten Abschluss, alle unerlässliche Bestandteile der Lehre an Hochschulen, haben einen gemeinsamen Anspruch auf bessere Arbeitsbedingungen. Ohne ein Ende der prekären Beschäftigung und der großen Unsicherheit, der sie in vielfältiger Weise ausgesetzt sind, leiden sie und die Lehre, die sie bieten wollen und sollen. Noch findet der tägliche Hochschulablauf statt und noch finden sich Menschen, die sich der Lehraufgabe verschreiben. Aber die vorherrschenden Bedingungen schädigen die Lehrqualität. Um diesen Zustand zu beenden und in den Hochschulen gut zu lehren, muss endlich auch bei allen Beschäftigten und ihrer Situation angesetzt werden.
Dieser Schritt ist absolut notwendig. Allerdings ist er nicht hinreichend. Gute Lehre braucht mehr als motivierte und endlich auch gut beschäftigte Lehrende. Ihr muss endlich der Stellenwert eingeräumt werden, den sie verdient. Die Vermittlung von Wissen gehört zu den Kernaufgaben von Hochschulen und ist sowohl für die Zukunft der Wissenschaft, als auch für die Gesellschaft selbst von immenser Bedeutung. Aber betrachtet man die Bedeutung von Forschungsleistungen und die der Lehre für die wissenschaftliche Karriere, führen die beiden ein vollkommen ungleiches Duell: Die Forschungsleistungen bedingen die Karriereperspektiven im Wissenschaftsbereich, die Lehre steht im Abseits. Es kommt bei Berufungen oder Einstellungen offensichtlich nicht auf die Qualität von Lehre, sondern leider ausschließlich auf Leistungen in der Forschung an, die irrsinniger weise ausschließlich an der Menge der veröffentlichen Paper und Zitationen gemessen wird. Um gute Lehre und Engagement für die Studierenden zu honorieren und voranzubringen, benötigt es daher einen Paradigmenwechsel.
Wenn von dem Ideal der Einheit von Forschung und Lehre die Rede ist, bedeutet das nicht, dass die Lehre zwischendurch ein Leben der Forschung bezahlen soll. Es verlangt vielmehr, dass beides voneinander lebt und profitiert. Deshalb muss die Forschung mit der Lehre wieder so verquickt werden, dass sie Thema in den Lehrveranstaltungen ist. Das Studium muss seinem Wortsinn entsprechend wieder das Streben nach Erkenntnissen im wissenschaftlichen Bereich werden – nicht nur für die Lehrenden, sondern ebenso für die Lernenden. Es geht gleichsam um Aktualität wie den Praxisbezug, aber insbesondere um die Abkehr von der Pflicht, nur auswendig zu lernen. Stattdessen sollte das eigenständig Lernen und Forschen im Vordergrund stehen. Sei es Raum für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des SPD-Mitgliederentscheids in der Grundrechtevorlesung Jura anzubieten oder den gemeinsamen Versuch zu unternehmen, den Beweis der Poincaré-Vermutung als eines der sieben Millennium-Rätsel in Ansätzen nachzuvollziehen.
Diese Herangehensweise würde das Interesse an der gesamten Materie und die Auseinandersetzung damit befeuern – und nur mit ihr kommt man dem Ideal des selbstbestimmten, forschenden Lernens näher. Ändert sich diese Einstellung zum Lehrauftrag an Hochschulen, hängt es endlich nicht mehr nur an Einzelnen, die den Blick über den Tellerrand hinaus wagen und bieten wollen. Daraus folgt dann eben nicht, dass die Erwartungshaltung von Studierenden gegen die Bereitschaft und Zeitressourcen von Lehrenden durchgefochten wird, sondern dass gemeinsam Ansprüche an die Hochschule formuliert werden: Studierende und Lehrende brauchen mehr Freiraum für die Veranstaltungen und weniger zu stellende bzw. schreibende Prüfungen. Lehre und Forschung müssen ineinandergreifen und keine exklusiven Bereiche darstellen. Es bedarf zentraler Verfahren, um Feedback für Lehrveranstaltungen seitens der Studierenden zu ermöglichen. Das dient ebenso dazu, die Lehrqualität zu erhöhen, wie es auch das dringend notwendige Angebot an didaktischen Weiterbildungsmöglichkeiten bieten würde. Die Betreuungsrelationen und allgemein die Studiensituation angesichts überholter Materialien, fehlender technischer Einrichtungen und insgesamt baufälliger Hochschulgebäude müssen verbessert werden.
Diese Veränderungen kosten Geld. Und sie wären gleichzeitig ein Paradebeispiel für nachhaltige Investitionen. Deshalb müssen Bildung und Wissenschaft überall und gerade an dem Ort, wo sie am engsten verwoben sind, oberste Priorität genießen. Die Aufgaben sind also deutlich erkennbar – ist es der politische Wille ebenfalls?
Philip Kroner
ist Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen